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Weltstrafrecht - Element einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts?

Matthias KNAUFF

A. Anmerkungen zur Fragestellung

Ein Vierteljahrhundert nach dem von Francis Fukuyama proklamierten „Ende der Geschichte“1 stellt sich die Welt zerrissener dar denn je zuvor. Die gespannte Ruhe und Stabilität des Kalten Krieges ist einer - wie es scheint dauerhaften - multipolaren Weltunordnung gewichen. Davon zeugen nicht nur die seitdem erfolgten gewaltsamen zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen wie der „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan und Irak sowie der unter direkter und indirekter Mitwirkung verschiedener Mächte sowie verschiedener terroristischer Akteure erfolgende Bürgerkrieg in Syrien. Auch gerät die Jahrhunderte währende Hegemonie europäisch-amerikanischer Wert- und Rechtsvorstellungen in der Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen zunehmend unter Druck. Dies gilt, wie die Annexion der Krim durch Russland verdeutlicht,2 sogar für das Gebot der Unverletzlichkeit von Grenzen. Welche Folgen die Etablierung insbesondere Chinas im Zentrum der Weltpolitik haben wird, lässt sich derzeit zwar nur erahnen. Zumindest eine Anreicherung um und eine stärkere Gewichtung von „asiatischen“ Anschauungen, etwa zu Fragen der Menschenrechte3 oder des Selbstbestimmungsrechts der Völker4, erscheint aber überaus wahrscheinlich.5 Schließlich herrscht auch innerhalb der Staaten vielfach Uneinigkeit über grundlegende Werte und Ziele. Dies gilt in gleicher Weise für die westliche Welt, als auch für islamisch geprägte Staaten. Erleben die alternden Gesellschaften des Okzidents seit längerem einen Prozess der Desintegration, so ist die schnell in ihrer Bevölkerung, nicht aber in gleicher Weise ihrer Wirtschaftskraft wachsende islamische Welt in einem inneren Kampf zwischen Säkularismus und religiösem Fundamentalismus gefangen6. Das Scheitern des „arabischen Frühlings“ hat nicht dazu beigetragen, diesen zu überwinden. Kein weltweiter Konsens besteht schließlich auch mit Blick auf die Formen der Herrschaftsausübung. Die Idee der Demokratie hat sich bislang vielerorts ausschließlich in der Staatsrhetorik, nicht aber in der Staatspraxis durchsetzen können. Nach wie vor stehen sich demokratisch organisierte Gemeinwesen und Autokratien gegenüber.7

Angesichts dieser verworrenen Situation erscheint die Frage nach einem Weltrecht als unzeitgemäß. Erst recht mag die Idee eines Weltstrafrechts8 Verwunderung hervorrufen, zählt doch das Strafrecht zum Kernbereich staatlicher Souveränität. Zugleich dient es der Absicherung grundlegender Wertvorstellungen der staatsbildenden Gesellschaft. Ihm kommt daher gerade in Anbetracht der vielfältigen aktuellen Herausforderungen eine erhebliche Bedeutung für deren Selbstdefinition zu. Im Falle einer Internationalisierung des Strafrechts erscheint fraglich, wie es diese Funktion erfüllen soll. Die Frage nach einem Weltstrafrecht ausschließlich aus dieser Perspektive heraus zu stellen, heißt daher, sie zu verneinen. Eine derartige Verengung des Blickwinkels ist jedoch unangebracht und verkennt die Zunahme der Bedeutung des Rechts auf internationaler Ebene. Ein Welt(straf)recht muss nicht notwendigerweise an die Stelle staatlichen Rechts, sondern kann neben dieses treten und innerhalb eines Mehrebenensystems mit ihm zusammenwirken. Die neuere Entwicklung des Völkerrechts enthält verschiedene Anhaltspunkte, welche ungeachtet der bestehenden politischen Unsicherheiten die Entstehung eines derartigen Systems nahe legen, das auch das Strafrecht umfasst. Diesen soll im Folgenden nachgegangen werden.

B. Ausgangspunkt: Das Völkerrecht auf dem Weg zum Weltrecht?

Traditionell oblag die Ausgestaltung der internationalen Beziehungen einem Monopol der Staaten. Ihr grundsätzlicher Souveränitätsanspruch, der in Art. 2 Nr. 1 UN-Charta eine normative Verankerung an prominenter Stelle gefunden hat, stand sowohl der Schaffung einer innerstaatlichem Recht vergleichbaren Völkerrechtsordnung als auch der Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure in eine solche entgegen.9 In neuerer Zeit ist jedoch eine grundlegende Neuausrichtung feststellbar. Diese tritt besonders deutlich in der Zunahme von Akteuren auf internationaler Ebene zu Tage. Zunehmend werden heute internationale Organisationen10 und Private11 - insbesondere Nichtregierungsorganisationen und multinationale Unternehmen - in vormals den Staaten vorbehaltenen Bereichen tätig. Die Gründe hierfür liegen maßgeblich in einer gestiegenen Sensibilität für internationale Problemstellungen infolge von Globalisierung und weltweit bedeutsamen Herausforderungen wie dem Klimawandel. Die gleichzeitige Überforderung der Problemlösungskompetenz der einzelnen Staaten zwingt diese überdies zu einem immer engeren Zusammenwirken, das zugleich ihrer Handlungsautonomie Grenzen setzt.12