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Alkohol im Straßenverkehr: Strafwürdiges Unrecht Oder 
exerzierfeld İllegitimer Volkspädagogik?

Gunnar DUTTGE

I. Soziologie des Alkoholkonsums

Schon seit Menschengedenken ist der Konsum von Alkohol erdumspannend wohlbekannt und ebenso beliebt wie gefürchtet: Schon Platons „Nomoi“ berichten von den „Trinkgelagen“ und den „Festen“, in denen „Betrunkene auf Wagen herumfahren“; und es ist lobend von den Gesetzesbestimmungen des antiken Sparta die Rede, die solchen „Übermut und alle möglichen Torheiten“ rigoros beseitigt hätten, und von einer sozialen Praxis, in der „ausnahmslos jeder, der einem herumschwärmenden Betrunkenen begegnet, diesem auf der Stelle die schwerste Züchtigung zuteil werden“ lasse.1 Bekanntlich hat diese Strategie der mehr oder weniger gewaltsamen Unterdrückung der Rauschmittelsucht in den nachfolgenden Jahrhunderten aber nur sehr begrenzt Erfolg gehabt, und kennt auch die Moderne die Problematik einer „alkoholisierten Gesellschaft“ mit all ihren Mensch wie Gemeinschaft nachhaltig schädigenden Wirkungen. Die deutsche Bevölkerung ist da keine Ausnahme, ganz im Gegenteil: Der Alkoholkonsum ist hier bei alt wie jung – und zuletzt bei immer Jüngeren – ein fester Bestandteil des Lebens: Im Jahr 2008 betrug der Pro-Kopf-Verbrauch alkoholischer Getränke 141, 2 Liter;2 damit liegt Deutschland international in der Spitzengruppe.3 Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 1,3 Millionen Menschen alkoholabhängig sind und etwa 74.000 Todesfälle jährlich unmittelbar dem Alkoholmissbrauch zugerechnet werden müssen.4 Überdies zählt Alkohol unbestritten zu den außerordentlich kriminogenen Risikofaktoren:5 Der Polizeilichen Kriminalstatistik zufolge werden etwa ein Drittel der (aufgeklärten) Gewaltdelikte unter Alkoholeinfluss begangen,6 und noch höher ist der Anteil der alkoholbedingten Straftaten im Straßenverkehr: Die Strafverfolgungsstatistik 2008 weist aus, dass mehr als die Hälfte (54,6%) der wegen einer Straftat im Straßenverkehr Verurteilten die betreffende Tat im Zustand der Trunkenheit begangen haben;7 die Verkehrsunfallstatistik weist für das Jahr 2011 für Alkoholunfälle mit Personenschaden eine Steigerung um 5,4% auf 15.887 Fälle aus und spricht von einer Verdoppelung des Risikos für die Tötung eines Menschen, wenn die Fahrt unter Alkoholeinfluss angetreten wird.8 Erfahrene Polizeibeamte berichten, dass ihnen vor allem an den Wochenenden vermehrt nicht lediglich alkoholisierte Fahrzeugführer, sondern fahrende Alkoholiker begegnen.

Vor diesem Hintergrund lässt sich leicht nachvollziehen, warum schon seit langem erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um den Gefahren eines (vor allem übermäßigen) Alkoholkonsums allgemein und insbesondere im Kontext des Straßenverkehrs entgegenzuwirken. Zentrales Element der „ganzheitlichen Strategie“ ist der Einsatz des Strafrechts, der im deutschen Recht geradezu auffällig die Inanspruchnahme von Fortbewegungsmitteln innerhalb des öffentlichen (vor allem Straßen-) Verkehrs unter Rauschmitteleinfluss im Blick hat: Nicht erst die fahrlässige Tötung und Körperverletzung (§ 222 bzw. § 229 StGB), sondern bereits die Gefährdung anderer Menschen und selbst bloßer Sachen („von bedeutendem Wert“) ist insoweit strafbar (§ 315c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB), wobei es ausweislich des § 316 StGB nicht einmal zu einer konkreten Gefährdungssituation gekommen sein muss. Schon die einfache Überlegung, dass die bloß abstrakte Gesundheitsgefährdung sonst i.d.R. nicht strafbar ist ebenso wenig wie die nur fahrlässig begangene Sachbeschädigung (arg. § 303 i.V.m. § 15 StGB), zeigt den verschärften strafrechtlichen Zugriff in Bezug auf den Straßenverkehr, zumal der Tatbestand der Verkehrsunfallflucht (§ 142 StGB) de facto ebenfalls der Entdeckung und Ahndung von Trunkenheitsfahrten dient.9 Was kann es aber rechtfertigen, die Strafbarkeitsschwelle bei Teilnahme am Straßenverkehr in alkoholisiertem Zustand derart abzusenken, dass schon das fahrlässige Herbeiführen einer bloß typischerweise gefahrgeeigneten Tatsituation Kriminalstrafe begründet – und dies im Übrigen mit derselben Strafandrohung wie die entsprechende Vorsatztat (vgl. § 316 StGB, Abs. 1 und 2)? Gewiss ist dem Tatgeschehen eine gewisse „Gemeingefährlichkeit“ immanent, weil potentiell eine Mehrzahl anderer Straßenverkehrsteilnehmer in Gefahr gebracht werden könnte. Allerdings erschöpft sich nach allgemeinen Grundsätzen das Tatunrecht nicht in seiner erfolgsbezogenen Dimension (die hier ohnehin nur wegen der potentiellen Betroffenheit mehrerer Personen erhöht erscheint, was offenbar die fehlende Schadensnähe kompensieren soll), sondern erfordert darüber hinaus einen hinreichenden subjektiven Tatbezug. Im Falle des Alkoholkonsums stellen sich aber an diesem Punkt gleich zwei Probleme: Zum einen werden durch den Alkoholkonsum die Kräfte des einzelnen zur Aufrechterhaltung seines Rechtsgehorsams für gewöhnlich reduziert; der Alkohol ist also ein Umstand, der das Können des Rechtsunterworfenen minimiert. Derart asthenische, eine signifikante Schwäche des einzelnen begründende Faktoren wirken jedoch im geltenden Strafrecht sonst stets entlastend oder wenigstens mildernd (z.B. kann ein übermäßiger Alkoholkonsum eine verminderte Schuldfähigkeit oder gar einen Schuldausschuss begründen, vgl. §§ 20, 21 StGB; siehe auch §§ 33, 213 StGB), nicht aber strafbegründend. Zum anderen werden die konkreten Auswirkungen des Alkoholkonsums auf das Legalverhalten normalerweise stets abhängig von Umständen des Einzelfalls gesehen, etwa von der Alkoholgewöhnung des Betroffenen, seiner körperlichen Konstitution, der Komplexität der situativen Anforderungen usw. Für das tatbestandsbegründende Erfordernis der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316 StGB) meint die höchstrichterliche Rechtsprechung jedoch seit langem, unabhängig von jedweden tat- oder täterbezogenen Umständen eine absolute Grenze (die sog. „absolute Fahruntüchtigkeit“) ziehen zu können, die für Kraftfahrzeuge seit einer Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahre 1990 bei 1,1 Promille liegen soll.10 Wie lässt sich das eigentlich mit den Erkenntnissen der Alkoholforschung vereinbaren?

II. Generalisierung der („absoluten“) Fahruntüchtigkeit?

In der soeben erwähnten Grundsatzentscheidung hat der 4. Strafsenat im Ausgangspunkt durchaus zugestanden, dass die Feststellung der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit „nur unter Heranziehung medizinisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnisse“ möglich ist. Auch sieht er sehr wohl das Problem, dass „die Alkoholforschung angesichts der fließenden Übergänge im biologisch-medizinischen Bereich zu einer exakten Grenzziehung nicht in der Lage ist“11. Gleichwohl beruft er sich auf die Ergebnisse der statistischen Alkoholforschung sowie auf Erkenntnisse aus Fahrversuchen, die belegen sollen, dass „die Gefährlichkeit eines [in einem Ausmaß von 1,0 Promille, G.D.] alkoholisierten Verkehrsteilnehmers um ein Mehrfaches gegenüber der eines nüchternen Kraftfahrers erhöht ist“12. Da Fahrversuchen das Fahrverhalten „als komplexes Zusammenspiel aller psycho-physischen Leistungskomponenten … unter dem Einfluss der jeweils individuellen Besonderheiten“ zugrunde liege, sieht sich der BGH bei einem verstärkten Einbeziehen dieser Ergebnisse13 gegen den Einwand gewappnet, die Statistik könne nur etwas über den Durchschnitts-, nicht aber über den jeweiligen Einzelfall aussagen. Die Beweisführung, dass auf diese Weise wirklich jeder denkbare, insbesondere auch der konkret verfahrensgegenständliche Einzelfall vorab erfasst und bewertet werden könnte, ist jedoch unzureichend, da sie die logische Unzulässigkeit des Induktionsschlusses übersieht: Von Einzelfällen auf eine allgemeine Theorie zu schließen ist nur dann zureichend, wenn sämtliche aus der Summe aller denkbaren Einzelfälle maximal hervorgehenden, potentiell relevanten Informationen verlässlich in die Gesamtbeurteilung einbezogen sind;14 nach dem bekannten Theorem Karl Poppers berechtigen uns auch noch so viele Beobachtungen von weißen Schwänen nicht zu dem Satz, dass alle Schwäne weiß sind.15 Dass die Alkoholisierung eines jeden Fahrzeugführers eine Erhöhung des Unfall- und Schadensrisikos mit sich bringt, ist ganz unbestreitbar; doch um festzustellen, dass sie ab einem bestimmten BAK-Wert bei jedermann und in jeder Fahrsituation generaliter die Annahme begründet, dass die Mindestanforderungen an ein sicheres Führen des Fahrzeugs definitiv nicht mehr gegeben sind, müssten alle denkbaren Konstellationen in täter- und tatbezogener Hinsicht vorab feststehen – was unmöglich ist. Wissenschaftstheoretisch erweckt das Postulat einer „absoluten Fahruntüchtigkeit“ somit schon deshalb Zweifel, weil es de jure eine Sicherheit und Verlässlichkeit behauptet, wo de facto nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage möglich ist, die infolgedessen den jeweiligen Einzelfall verfehlen kann. Da hilft auch die Zusatzerwägung des BGH nicht weiter, wonach sich der Senat in seiner Grenzziehung durch den Umstand bestärkt sehe, „dass Einwendungen gegen einen Grundwert der absoluten Fahruntüchtigkeit [von allenfalls 1,0 Promille, G.D.] … aus medizinisch-naturwissenschaftlichen Fachkreisen nicht erhoben worden sind“16. Denn wo das Wissen unvollständig ist, lassen sich auch keine Einwendungen erwarten!