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Strafrecht Und Kultur -deutsch-türkische 
wechselwirkungen

Gerhard SEHER

Im Alltag begegnet dem Juristen das Recht vor allem in den Gesetzen. Und indem die Gerichte sich auf das Gesetz berufen, wenn sie Recht sprechen, verstärken sie den Eindruck, sie nähmen das Recht allein aus dem Gesetz. Dass dieser Blick viel zu eng ist, um das Phänomen „Recht“ in seiner Vielfalt zu begreifen, ist seit langem bekannt. Es waren Rechtssoziologen wie Eugen Ehrlich und Ernst Hirsch, die schon früh darauf aufmerksam gemacht haben, dass das Recht nicht starr in den Gesetzen fixiert ist, sondern sich in den Entscheidungen der Gerichte und Behörden entfaltet und sich zugleich aus den Überzeugungen der Bürger speist - und damit „lebendes Recht“ ist.1

Die ursprünglich rechtssoziologische Erkenntnis der Dynamik des Rechts wird heute aus anderen Blickwinkeln bestätigt: durch die Hermeneutik, die betont, dass das Recht nicht in seiner Gesetzesform feststeht, sondern erst in dem Prozess seiner Anwendung im Einzelfall hergestellt wird;2 durch die Sprachphilosophie, die aufgedeckt hat, dass Begriffe - und damit auch Rechtsbegriffe - keinen unveränderlichen Bedeutungsgehalt besitzen, sondern sich mit ihrem Gebrauch in der Sprache entwickeln - dass sie sozusagen lebende Begriffe sind;3 und durch die Rechtspolitik, die die Veränderbarkeit der Gesellschaft durch Rechtsgestaltung zum Gegenstand hat und dadurch einen Blickwinkel einnimmt, der der Rechtsdogmatik bis heute oft fremd bleibt: den der Wechselwirkungen zwischen Recht und Gesellschaft.

Charakter und Funktionsweise des Rechts erschließen sich also nur aus einer Meta-Perspektive, wie sie die Grundlagenwissenschaften des Rechts einnehmen. In einer Zeit, in der der Staat das Recht oft als ein Steuerungsinstrument versteht, das zu beliebigen politischen Mehrheitszielen eingesetzt werden kann, ist dieser distanzierte Blick auf Wirkungsweisen, Chancen und Grenzen des Rechts besonders wichtig. Und deshalb ist es wertvoll, dass wir gestern und heute die Eröffnung eines Forschungszentrums feiern, das sich den Wurzeln des Rechts widmen will.