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Notverordnungen vs. Notstandsgesetze

Olağanüstü Hâl Kararnamesi v. Olağanüstü Hâl Kanunu

Arndt KÜNNECKE

Staatlicher Notstand gilt gemeinhin als Stunde der Exekutive. Diese soll in Notzeiten die normalerweise dem Parlament obliegende Entscheidungsgewalt an sich ziehen und den Staat aus der Krise führen. In der Weimarer Republik wurde das in Artikel 48 Absatz 2 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) niedergeschriebene Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten, bei erheblicher Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Reich mittels Notstandsdekreten mit Gesetzeskraft zu regieren, gerade gegen Ende der Republik exzessiv ausgeübt. Dieser Aufsatz vergleicht das Notverordnungsrecht der Weimarer Reichsverfassung mit den Notstandsregelungen des bundesdeutschen Grundgesetzes und untersucht, ob und inwieweit die Väter und Mütter des Grundgesetzes diesbezüglich die richtigen Lehren aus der Weimarer Republik gezogen haben. Er kommt dabei zum Ergebnis, dass auch die Notstandsregelungen des Grundgesetzes keine Gewähr vor Missbrauch durch die in ihnen ermächtigte Exekutive bieten und sich nur im tatsächlich eingetretenen Krisenfall zeigen werde, ob die Notstandsartikel des Grundgesetzes im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung in ihrer Anwendung tatsächlich krisentauglich sind.

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Olağanüstü hâl, genellikle yürütme organının mutlak hakimiyetinin söz konusu olduğu ve parlamentonun ortadan kalktığı bir süreç olarak kabul edilir. Yürütme organı, olağanüstü durumlarda, Parlamento’nun haiz olduğu karar verme yetkisini devralmak ve devleti kriz ortamından çıkarmakla yükümlüdür. Weimar Cumhuriyeti döneminde, İmparatorluk başkanına Weimar Anayasası’nın 42/2 maddesi temelinde tanınan kamu düzeninin ciddi ölçüde bozulması ya da kamu düzenine yönelik bir tehdidin varlığı hâlinde olağanüstü nitelikte kanun hükmünde kararname çıkarma yetkisine, özellikle Cumhuriyetin son dönemlerinde orantısız bir şekilde başvurulmuştur. Bu makale Weimar Anayasasında yer alan olağanüstü hâl hukukuna ilişkin düzenlemeleri Federal Almanya Anayasası’nın olağanüstü hâl düzenlemeleri ile karşılaştırmakta ve anayasakoyucunun Weimar Cumhuriyeti’nden doğru dersleri çıkarıp çıkarmadığını veya bu tecrübeden ne ölçüde ders alındığını incelemektedir. Makale, Federal Almanya Anayasası’nda yer alan olağanüstü hâle ilişkin düzenlemelerin, yetkilendirdikleri yürütme organı tarafından kötüye kullanılmalarına karşı bir güvence sunmadığı ve Federal Almanya Anayasası’ndaki olağanüstü hâl düzenlemesinin Weimar Anayasası’ndaki düzenlemenin aksine, bir kriz durumunda uygulanmasının daha uygun olup olmadığı hususunun ancak gerçekten meydana gelen bir kriz ile anlaşılabileceği sonucuna varmaktadır.

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I. EINLEITUNG

Bislang wurde das Verhältnis der Weimarer Reichsverfassung von 1919 zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949 überwiegend als zutiefst gegensätzlich beschrieben und bewertet. Wenn vom Scheitern der Weimarer Republik gesprochen wird, wird oft die angeblich an erheblichen Konstruktionsfehlern leidende unzulängliche Verfassung genannt, die der jungen Republik in nur 14 Jahren den Weg ins Verderben ebnete. So habe beispielsweise die herausgehobene Stellung und Machtfülle des Reichspräsidenten, dem verfassungsmäßig die Rolle eines republikanischen Ersatzkaisers zukam, die zahlreichen Präsidialkabinette ab 1930 erst ermöglicht. Damit habe die Weimarer Reichsverfassung (WRV) quasi als „Geburtshelfer der Diktatur”1 fungiert und einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, den Weg Hitlers in die Reichskanzlei und später an die Spitze des unter ihm in einen totalitären Staat verwandelten Deutschen Reiches zu ebnen.

Das deutsche Grundgesetz (GG) habe hingegen seine vielbeschworenen „Lehren aus Weimar” gezogen und habe als „Gegenentwurf”2 oder „Gegenverfassung”3 zu Weimar alles besser gemacht: Neben der Einführung des personalisierten Verhältniswahlsystems mit seiner Fünf-Prozent-Klausel, der unmittelbaren Wirkung der Grundrechte und der Schaffung eines die Verfassung selbst schützenden Verfassungsgerichts wird in diesem Zusammenhang vor allem die Beschneidung der Kompetenzen des Präsidenten auf ein nicht direkt vom Volk gewähltes größtenteils rein repräsentativ tätiges Staatsoberhaupt genannt. Doch ist das Grundgesetz tatsächlich die makellose Ikone deutschen Verfassungsrechts, die frei ist von jeglichen Unzulänglichkeiten ihrer Vorgängerin aus Weimar? Ist das Grundgesetz von 1949 ein kompletter Neuentwurf einer Verfassung für das deutsche Volk? Zieht es in seinen Artikeln tatsächlich die richtigen „Lehren aus Weimar”? Oder könnte dem Grundgesetz ein ähnliches Schicksal beschieden sein wie der Weimarer Reichsverfassung? Diesen Fragen geht der vorliegende Essay im Folgenden anhand eines Vergleichs der Notstandsrechte beider Verfassungen nach. Mit der Aufnahme eines Notstandsrechts befanden sich sowohl die Weimarer Reichsverfassung als auch das Grundgesetz - allerdings erst mit seiner entsprechenden Änderung im Jahr 1968 - in bester deutscher Verfassungstradition, denn schon in den §§54 und 197 der Paulskirchenverfassung von 1849’den4 §§5 und 16 des preußischen Gesetzes über den Belagerungszustand von 18515 und Art.68 der Bismarck’schen Reichsverfassung von 18716 sind Vorkehrungen für den politisch-gesellschaftlichen sowie den militärischen Ausnahmezustand getroffen worden.

II. DAS NOTVERORDNUNGSRECHT IN Art.48 Abs.2 WRV

Zentrales Machtinstrument des Reichspräsidenten der Weimarer Republik war das in Art.48 Abs.2 WRV festgeschriebene Notverordnungsrecht. Mit diesem verfügte der Reichspräsident über weitreichende exekutive Notstandsbefugnisse. So verlieh ihm Art. 48 Abs.2 WRV das Recht zum Erlass von Notverordnungen mit Gesetzeskraft sowie zur Suspendierung von zahlreichen Grundrechten. In Kombination mit der in Art.25 Abs.1 WRV enthaltenen Befugnis zur Auflösung des Reichstags konnte der Reichspräsident somit ohne parlamentarische Kontrolle mittels von ihm selbst erlassener Notstandsdekrete regieren und dabei zentrale Grundrechte - wie die Freiheit der Person, des Eigentums sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung - außer Kraft setzen.

Nach Art.48 Abs.2 WRV konnte der Reichspräsident, „wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.”7 Von den von ihm auf dieser Grundlage getroffenen Maßnahmen hatte er gemäß Art.48 Abs.3 WRV den Reichstag unverzüglich in Kenntnis zu setzen, der wiederum die Maßnahmen des Reichspräsidenten außer Kraft setzen konnte. Hier spielte dann Art.25 Abs.1 WRV, wonach der Reichspräsident den Reichstag auflösen konnte, eine wichtige Rolle, da dieser Artikel dann vom Reichspräsidenten genutzt werden konnte, um eine Aufhebung seiner Notstandsmaßnahmen durch den Reichstag zu verhindern. Alle auf Grundlage des Art.48 Abs.2 WRV erlassenen Maßnahmen des Reichspräsidenten mussten nach Art.50 WRV von der Reichsregierung gegengezeichnet werden. Sollte Gefahr im Verzuge sein, kann nach Art.48 Abs.4 WRV anstelle des Reichspräsidenten eine Landesregierung für ihr jeweiliges Landesgebiet einstweilige Maßnahmen treffen, die jedoch „auf Verlangen des Reichspräsidenten oder des Reichstags außer Kraft zu setzen [sind]”.8 Das in Art.48 Abs.5 WRV angekündigte Reichsgesetz zur Regelung der Einzelheiten dieses im Text der Weimarer Verfassung explizit gar nicht als „Notverordnungsrecht” bezeichneten Rechts zum Erlass von Notverordnungen wurde in der Weimarer Republik niemals verabschiedet. In den Anfangsjahren der Weimarer Republik scheiterten entsprechende Anläufe dazu am dauerhaften Krisenmodus der Republik und der nicht ausreichenden parlamentarischen Unterstützung bei gleichzeitig ausgeprägtem Widerstand auf Seiten von Reichspräsident Ebert. Unter Reichspräsident Hindenburg ging es gerade nicht mehr um eine gesetzliche Begrenzung des Notverordnungsrechts, sondern eher um seine Ausweitung.9

Um das Notverordnungsrecht der Weimarer Reichsverfassung und dessen später ausgeuferten Ge- und Missbrauch hinreichend würdigen zu können, muss man sich zunächst mit der Entstehung des Art.48 Abs.2 WRV beschäftigen. Die Aufnahme von Notstandsartikeln in die Verfassung stellte keine Neuerung der Weimarer Republik dar. Bereits die Paulskirchenverfassung von 1849 und die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 enthielten Regelungen für den Fall eines staatlichen Notstandes.10 Bis 1918 galt jedoch die Formel: „Krieg nach außen bedeutete Notstand nach innen.”11 Die Niederlage des deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg markierte jedoch das Ende der bisher geltenden Praxis, denn in den Revolutionswirren kam es auch im Innern des Reiches zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Unterstützern verschiedener politischer Ideologien und Systeme. In dieser aufgeladenen und angespannten Atmosphäre trat die erst gut zwei Wochen zuvor gewählte Verfassungsgebende Nationalversammlung bereits am 6.2.1919 im Nationaltheater in Weimar zusammen. Diese diskutierte bis zu ihrer Schlussabstimmung am 31.7.1919 über den vom damaligen Staatssekretär im Innenministerium, Hugo Preuß, vorgelegten Entwurf einer demokratisch-republikanischen Verfassung.12 Innerhalb der Verfassungsgebenden Nationalversammlung in Weimar herrschte auch das klare Bewusstsein, dass der neue Staat und dessen Verfassung auf irgendeine Art und Weise geschützt werden müssten. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus Monarchie und Weltkrieg war man sich zudem einig, dass ein wie auch immer ausgestaltetes Notstandsrecht des Staates nicht uferlos sein dürfe, sondern eingegrenzt und kontrollierbar sein müsse.13 Die Debatte um Inhalt und Grenzen eines Selbstschutzrechts der neuen Republik wurde im Rahmen des späteren Art.48 II WRV geführt. Dabei orientierte man sich weitgehend am bisherigen Verständnis und Tatbestand des „Belagerungszustandes” aus Art.68 WRV von 1871, wonach der Kaiser, wenn die öffentliche Sicherheit im Bundesgebiet bedroht war, den Kriegszustand in jedem Bundesland erklären konnte.14 Materiell wurde die dort lediglich auf die Störung der öffentlichen Sicherheit beschränkte Notstandslage noch auf die öffentliche Ordnung ausgedehnt und eine „erhebliche” Störung einer der beiden vorausgesetzt. Im Zentrum der Diskussionen um die Ausgestaltung des Notstandsrechts standen aber die Fragen der Zuständigkeit und des Verfahrens bei Vorliegen einer Notstandslage. Man war sich einig, dass der Notstandsfall demokratisiert werden müsse, d. h. die Gewalt bei seinem Eintreten an den demokratisch direkt legitimierten Reichspräsidenten übergehen müsse. Der Rückgriff auf die bewaffnete Macht, deren Oberbefehl nach Art.47 WRV ebenfalls beim Reichspräsidenten lag, sollte nur erfolgen, soweit dies unbedingt erforderlich war.15 Das Problem des „demokratisierten Notstands” bestand nun in einer ausgewogenen Balance zwischen den verschiedenen demokratisch gewählten politischen Gewalten und Instanzen. Dabei wurde die Idee verworfen, dass das Parlament den Notstandsmaßnahmen des Reichspräsidenten vorab zustimmen sollte. Um im Fall eines Staatsnotstandes schneller und effektiver handeln zu können, sollte das Parlament eine nachträgliche Kontrolle ausüben, indem es die vom Reichspräsidenten erlassenen Notstandsmaßnahmen wieder außer Kraft setzen konnte. Ebenso sollten die Notstandsmaßnahmen des Reichspräsidenten - wie auch alle seine ordentlichen Anordnungen und Verfügungen - zu ihrer Wirksamkeit der Gegenzeichnung durch die Regierung bedürfen. Durch diese beiden Kontrollinstanzen sollte sichergestellt werden, dass der Reichspräsident seine Notstandsmaßnahmen auch im Einklang mit der Verfassung erließ.16 Ein besonderes Kontrollrecht der Justiz war nicht angedacht.17

Da zur Zeit der Verfassungsberatungen in zahlreichen Städten des Reiches bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, befand sich die neue Republik rein tatbestandlich in einem allgegenwärtigen dauerhaften Notstand. Sie kämpfte um ihre eigene Existenz, Stabilisierung und Verfassung, konnte zu ihrem eigenen Schutz aber noch nicht auf ein Notstandsrecht zurückgreifen. Insofern gingen die Sicherheitskräfte so vor, wie sie es noch aus der Monarchie im Fall des alten Belagerungszustandes gewohnt waren: Das Militär fungierte als Ordnungsmacht im Innern und dessen Befehlshaber erließen Notverordnungen nach altem Recht, es gab Standgerichte und der Schusswaffengebrauch war erlaubt.18 Diese Zustände änderten sich erst Anfang 1920, als erstmals sog. Notverordnungen auf Grundlage des Art.48 Abs.2 WRV erlassen wurden.19 Diese dienten der Krisenbewältigung und betrafen sowohl die Gesetzgebung als auch deren Vollziehung. Anhand der Anwendungshäufigkeit des sog. „Diktaturartikels” 48 der Weimarer Reichsverfassung lässt sich auch gut nachvollziehen, zu welchen Zeiten die Weimarer Republik ihre größten Krisen zu bewältigen hatte: So wurden unter Reichspräsident Friedrich Ebert bis 1925 allein 136 Notverordnungen erlassen.20 In diese Zeit fielen u.a. zahlreiche politische Morde - wie die an den KPD-Führern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (Januar 1919), am bayerischen USPD-Ministerpräsidenten Kurt Eisner (Februar 1919), am Unterzeichner des Waffenstillstandes und früheren Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (August 1921) und am DDP-Außenminister Walther Rathenau (Juni 1922) -, der Kapp-Putsch (1920), die Probleme mit den Reparationszahlungen, die Ruhrbesetzung durch französische und belgische Truppen (1923/24), der Hitler-Putsch (1923) sowie die Hyperinflation (1923). In der Zeit der „Goldenen Zwanziger” bis 1930 gab es lediglich neun Notverordnungen, die allesamt ältere Regelungen aufhoben. In den Jahren 1930 bis 1932, die maßgeblich von der Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit sowie politischer Radikalisierung und Instabilität bestimmt waren, wurden dann unter Reichspräsident Hindenburg allein 109 Notverordnungen erlassen.21

Während der Weimarer Zeit veränderte sich der Anwendungsbereich des Notstandsrechts erheblich. Insgesamt lassen sich dabei drei unterschiedliche Auslegungspraxen des Art.48 Abs.2 WRV feststellen: In den Anfangsjahren der Republik wurde die in Art.48 Abs.2 WRV geforderte Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung polizeirechtlich ausgelegt. Danach lag diese vor, wenn wichtige Staatsfunktionen durch gewaltsame Angriffe Dritter beeinträchtigt wurden und die „normalen” Staatsorgane diesen Angriffen auf Grundlage der bestehenden Rechtsordnung nicht mehr effektiv begegnen konnten. Das Notstandsrecht wurde damit eng ausgelegt und hatte nur begrenzte Anwendungsmöglichkeiten, beispielsweise auf umstürzlerische Aktivitäten.22 In den Zeiten der Hyperinflation erweiterte sich die Auslegung des Art.48 Abs.2 WRV dann dahingehend, dass unter die dort normierte „erhebliche Störung” nun auch die katastrophale Währungs- und Zahlungssituation subsumiert wurde, sofern dadurch eine wichtige Staatsaufgabe beeinträchtigt war und die öffentliche Sicherheit und Ordnung nur mit außerordentlichen Notstandsmaßnahmen wiederhergestellt werden konnte. Insofern wurden während der Hyperinflation vornehmlich wirtschafts- und währungspolitische Notverordnungen erlassen. Neben diesen Notverordnungen wurden zur Bewältigung dieser existentiellen Wirtschaftskrise auch noch verfassungsdurchbrechende Ermächtigungsgesetze eingesetzt.23 Zwar wurde diese erweiterte Auslegung des Notstandsrechts kritisiert, setzte sich aber aufgrund der Schwere der Krise sowie mangelnder Alternativen durch.24 In den letzten Jahren der Republik wurde der Anwendungsbereich des Notstandsartikels 48 Abs.2 WRV nochmals erheblich ausgedehnt. So wurde fortan auch der Verfassungsnotstand, d.h. politische Blockade oder das Versagen eines Verfassungsorgans im Reich oder einem der Länder, als Notstandsfall angesehen. Damit begründete beispielsweise der Fall, dass der Reichstag einem Gesetzesentwurf seine Zustimmung verweigerte oder seine parteipolitische Zusammensetzung nicht mehrheitsfähig erschien, das Recht des Reichspräsidenten, Notverordnungen auf Grundlage des Art.48 Abs.2 WRV zu erlassen.25 Durch sein Recht, den Reichstag nach Art.25 Abs.1 WRV auflösen zu dürfen, verfügte der Reichspräsident zudem über ein Instrument, den eigentlichen Gesetzgeber bis zu dessen Neuwahl auszuschalten und während dieser parlamentslosen Zeit eigenständig mittels Notverordnungen zu regieren. Somit konnte der Reichspräsident nach dieser ausufernden Auslegung des Notstandsrechts die Voraussetzungen des Notstands selbst schaffen und mit nahezu absoluter Vollmacht herrschen. Die ursprünglich beabsichtigten Kontrollrechte des Parlaments und der Regierung liefen bei dieser extensiven Auslegung des Notstands ins Leere, denn zum einen wurde das Recht des Reichstags zum Außerkraftsetzen der Notverordnungen durch die Parlamentsauflösungen und ihre bloßen Androhungen seitens des Reichspräsidenten faktisch entkräftet und zum anderen waren die Präsidialkabinette der Endphase der Republik jeglicher Kontrollmöglichkeit gegenüber dem Reichspräsidenten beraubt, da sie nur mit dessen Vertrauen überhaupt ins Amt kamen und dieses auch sofort wieder verloren, wenn er ihnen sein Vertrauen wieder entzog. So kam es, dass Art.48 Abs.2 WRV zunehmend gegen Reichstage und Regierungen eingesetzt wurde, die zwar handlungsbereit und -fähig waren, aber gerade nicht im Sinne des Reichspräsidenten handelten und zu handeln beabsichtigten.26 Da die Einordnung als politisches Versagen von staatlichen Organen allein im Ermessen des Reichspräsidenten lag, führte dies dazu, dass nicht nur verfassungswidriges Verhalten als Notstandsfall angesehen werden konnte, sondern sogar verfassungskonformes Verhalten, wenn dieses in den Augen des Reichspräsidenten politisch nicht geeignet erschien, die Staatskrise zu bewältigen. Als Paradebeispiel für eine derartige Sichtweise dient die Reichstagsauflösung von 18.7.1930: Reichspräsident Hindenburg hatte den Reichstag damals aufgelöst, weil dieser sein ihm nach Art.48 Abs.3 WRV zustehendes Recht ausgeübt und eine vom Kabinett Brüning aufgrund einer entsprechenden Vollmacht Hindenburgs erlassene Notverordnung vom 16.7.1930,27 welche zur Deckung des Haushaltsdefizits u. a. Steuererhöhungen vorsah, außer Kraft gesetzt hatte. Für Hindenburg stellte bereits die Wahrnehmung dieses verfassungsmäßigen Rechts des Parlaments eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar, auf die er am 26.7.1930 mit einer nahezu inhaltsgleichen auf Art.48 Abs.2 WRV basierenden Notverordnung reagieren musste.28 Als der neu gewählte Reichstag abermals die Aufhebung dieser von Hindenburg neu erlassenen Notverordnung diskutierte, drohte ihm der Reichspräsident unverhohlen mit einer neuerlichen Auflösung.29 Ließen sich Erpressung des Parlaments und Erlass der Notverordnung in diesem Fall noch mit notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der schweren Wirtschaftskrise rechtfertigen, so fehlte dieser Bezug beim sog. Preußenschlag von 1932 völlig.

Durch die “Verordnung des Reichspräsidenten über die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Preußen” vom 20.7.193230 wurde die Preußische Staatsregierung durch Reichspräsident Hindenburg mit der Begründung abgesetzt, dass sie das Vertrauen des Wahlvolks verloren habe und nicht in der Lage gewesen sei, die inneren Unruhen zu beenden. §1 der Verordnung besagte Folgendes:

„Für die Geltungsdauer dieser Verordnung wird der Reichskanzler zum Reichskommissar für das Land Preußen bestellt. Er ist in dieser Eigenschaft ermächtigt, die Mitglieder des Preußischen Staatsministeriums ihres Amtes zu entheben. Er ist weiter ermächtigt, selbst die Dienstgeschäfte des Preußischen Ministerpräsidenten zu übernehmen und andere Personen als Kommissare des Reiches mit Führung der Preußischen Ministerien zu betrauen.

Dem Reichskanzler stehen alle Befugnisse des Preußischen Ministerpräsidenten, den von ihm mit der Führung der Preußischen Ministerien betrauten Personen innerhalb ihres Geschäftsbereichs alle Befugnisse der Preußischen Staatsminister zu. Der Reichskanzler und die von ihm mit der Führung der Preußischen Ministerien betrauten Personen üben die Befugnisse des Preußischen Staatsministeriums aus.”